Mein Traum vom Fliegen – Paragliding in Tirol

Ich fliege hoch oben über der Erde. Es ist ganz still, über mir grenzenloser Himmel …

Seit vielen Jahren habe ich immer wieder diesen Traum. Und damit meine ich nicht, dass ich es mir wünsche, zu fliegen. Es ist ein echter Traum, im Schlaf, wenn der Verstand im Ruhemodus ist. Ist das wirklich der Wunsch zu fliegen oder ein Symbol für eine andere unerfüllte Sehnsucht? Statt einen Therapeuten zu konsultieren, habe ich es in Tirol einfach mal ausprobiert.

Ich verabrede mich mit Herbert Tamegger von Flywear im Tiroler Dorf Kössen im schönen Kaiserwinkl. Der Ort ist für seine Gleitschirm-Flüge in der Szene berühmt, jährlich findet hier das „Super Paragliding Testival“ statt, bei dem sich fast alle internationalen Hersteller und tausende Flieger einfinden. Grund dafür sind die fast perfekten Start- und Landebedingungen am 1773 Meter hohen Unterberg: Nord- bzw. Westwinde gleiten am nördlichen Hang oder an der langen Westflanke auf und sorgen für ein Luftmassensteigen, welches für Paragleiter geradezu ideal ist. Durch die Sonneneinstrahlung entsteht zudem thermischer Aufwind, der die Paragleiter hoch nach oben trägt. Denn mit der Flugthermik ist es eigentlich ganz einfach: Warme Luft steigt nach oben und nimmt den Gleitschirm mit. Soweit die Theorie.

Das Wichtigste: Vertrauen in das Material und den Piloten

Herbert stattet mich an der Gondelstation des Unterbergs mit Helm, Rucksack und kleiner Action-Kamera aus. Die Kabinenbahn bringt uns zum Startplatz auf 1500 Meter Höhe. Während der Gondelfahrt sehe ich schon ein paar Gleitschirme in der Luft und bei aller Vorfreude schleicht sich ein mulmiges Gefühl in meinen Magen (Hatte ich erwähnt, dass ich nie, nie, niemals im Schwimmbad vom 3-Meter-Brett springen würde?). Herbert beruhigt mich – absichtlich oder zufällig – mit seinem Paragleiter-Werdegang: 24 Jahre Flugerfahrung hat er, ist ausgebildeter Tandemflieger und verkauft auch das Sport-Equipment. Und die Ausbildung zum Tandemflieger ist gründlich: Man muss selbst über mehrere Jahre eine Lizenz haben, mind. 200 Flüge allein absolvieren und überdurchschnittliche fliegerische Fähigkeiten nachweisen. Nach bestandener Prüfung dürfen erst nur Passagiere mitfliegen, die selbst eine Fluglizens besitzen, bevor schließlich ahnungslose Flieger wie ich mit dürfen.

Von einem Berg springen – ehrlich jetzt?!

Oben packen wir den Gleitschirm aus – er erinnert mit seinen Luftkammern und vielen Schnüren ein wenig an eine Qualle. Herbert erklärt mir das Starten: Ein paar Schritte gehen, bis der Schirm sich aufrichtet, ein kurzes Stück laufen, bis man abhebt und dann setzt man sich gemütlich in den Gurt. Das klingt sehr einfach – und ist es tatsächlich auch.

Völlig ruhig und friedlich heben wir ab – und fliegen! Lautlos schweben wir rund 700 Meter über dem Boden. Die Aussicht ist grandios, der Walchsee glitzert tief unten und mich überkommt ein erstaunlich friedliches Gefühl. Wir kreisen mal links, mal rechts herum, alles ganz ruhig und entschleunigt. Anders geht’s natürlich auch, wer mag kann sportlich-schnelle Spiralen drehen oder andere Action-Figuren fliegen. Ich genieße aber den Himmel über mir, die Stille, das ganz-weit-weg-von-allem-Sein.

In der Nähe der Adler

„Wenn ich Adler, Geier oder andere Raubvögel sehe, versuche ich, ihnen zu folgen“, erklärt mir Herbert. Denn genau wie der Gleitschirm nutzen auch Vögel die Thermik, die durch kalte und warme Luft entsteht und einen hinauf oder hinunter bringt. Bei guter Wetterlage kann man neun Stunden und länger fliegen und dieses unglaubliche Freiheitsgefühl genießen.

Nach einer Weile schweben wir in großen Kreisen zurück auf den Boden. Die Landung ist ebenso sanft wie der Start: Auf Herberts Kommando strecke ich meine Füße in die Luft und schon sitzen wir auf der blühenden Alpenwiese.

Paragleiten oder Gleitschirmfliegen wirkte auf mich immer wie eine weitere Adrenalin-geladene Actionsportart. Das kann es bestimmt auch sein, aber in erster Linie ist es ein unglaublich schönes, entspannendes Naturerlebnis. Wer einen empfindlichen Magen hat, mag vielleicht nicht so lang in der Luft bleiben (mir war nach zehn Minuten ziemlich schlecht). Ansonsten ist es ein Tandemflug eine tolle Unternehmung für jeden, der min. 30 und max. 140 kg wiegt – auch Kinder und ältere Menschen können mitfliegen (Preise ab 85 Euro).

Ob ich jetzt weiterhin vom Fliegen träume oder ist meine Sehnsucht tatsächlich gestillt? Die kommenden Nächte werden es zeigen. Aber Paragleiten werde ich bestimmt noch einmal.

 

Weitere Infos:

Die Seilbahn in Kössen bringt euch zum Abflugfplatz 

Übernachten könnt ihr mit Kindern im Hotel Seehof und ohne Kinder im Hotel Panorama.